Prinzessin Vukobrankovics. Die drei Leben der Elisabeth Thury

Hörbild
ORF und Deutschlandfunk Köln 2014

Länge: 52’27“

Ausgezeichnet mit dem Dr. Karl
Renner-Preis für Publizistik 2014

Journalistin. Widerstandskämpferin. Giftmörderin? Die 1894 geborene Milica von Vukobrankovics war der letzte Spross eines serbischen Adelsgeschlechts, das schon bei der Schlacht auf dem Amselfelde eine gewichtige Rolle gespielt hatte. Kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs stand Milica im Mittelpunkt zweier spektakulärer Gerichtsprozesse. Versuchter Giftmord lautete die Anklage.

Stimme 3

Wir müssen in Milica Vukobrankovics selbst ein Stück Wien und zugleich ein Stück Balkan sehen. Ihre Vorfahren waren nicht wählerisch in den Mitteln, wenn es unerwünschte Konflikte zu lösen gab. Daheim herrschte Blutrache, auch für enttäuschte Liebe. – Völlig ausgestoßen aus der Gesellschaft, verelendet und abgehärmt kommt sie aus dem Gefängnis. Aber kaum hat sie Brot, Beruf, Gesellschaft und Wirkungskreis, da vergiftet sie von neuem. Eine Person, die wie eine Hexe handelt und wie eine Dame aussieht.– Femme Fatale! Sirene! Fünfzehn Heiratsanträge während Prozess!– Die Anklagebank wird zum Regiepult, von dem aus sie die Verhandlung leitet! –

Weiberzelle 321
Weiberzelle 321

Stimme 1

Die Richter, die nun schon fast ein Jahr den Namen Vukobrankovics immer in Verbindung mit dem Worte Giftmischerin in ihrem Leibblatte lesen, kommen notwendigerweise schon mit einer fertigen, festen Überzeugung zur Verhandlung, so dass der Staatsanwalt leichtes Spiel hat.

(Textausschnitt 1 Prinzessin Vukobrankovics)

Das Motiv enttäuschte Liebe blieb unbewiesen, ein Geständnis legte sie nicht ab. Nach der Haftentlassung wechselte sie Beruf und Namen. Als Elisabeth Thury wurde sie Journalistin, trat der sozialdemokratischen Partei bei und ging nach deren Verbot in den Widerstand.

THURY Fotos aus der Erkennungsdienstlichen Kartei der Gestapo Wien
Aus der Erkennungsdienstlichen Kartei der Gestapo Wien

1939 folgte auf ein Jahr Gestapohaft die Überstellung ins Frauen-KZ Ravensbrück. Sie stieg bis Kriegsende zur Leiterin der Lagerpolizei auf, was für viele zwiespältig blieb.

Stimme 3

(verschiedene Distanzen zum Mikro, verschiedene Tempi und Lautstärken Atmo außen, nur letzte Sequenz innen)

Herrschsüchtig! – Päpstlicher als der Papst. – Ihre Schläge: schmerzhaft und gezielt. – – Sie gebrauchte und missbrauchte ihre Macht. Sie hatte ihre kommunistische Vergangenheit völlig abgelegt. – Sie schlug nicht, tat aber auch selten Gutes für die anderen. – Ihr bemerkenswertes Äußeres: ein großer Kopf mit grauen Haaren im Herrenschnitt, eine große Nase und eine fürchterliche Stimme. Einen Hals hatte sie nicht, unter dem Hinterkopf saß gleich der etwas gebuckelte Rücken. – Sie war einmal unter der Anklage des Gattenmordes gestanden, aber auf Grund mildernder Umstände freigesprochen worden und zwar vom alten Bürgermeister Seitz, der auch in Ravensbrück im Zellenbau saß. Einmal, als Thury wartend vor der Zellenbautür stand, wurde er gerade zum Spaziergang herausgelassen. Mit dem ganzen Charme seiner altfränkischen Courtoisie zog er den Hut gegen sie, und Thury sackte zusammen unter dieser ritterlichen Geste. Gerade diese Geste hatte sie wohl schon seit langer Zeit vergessen. Sie war außerordentlich verroht im Lager.

 

Stimme 1

Hinter Stacheldraht: gequälte Frau’n
Wie Tiere im Schlachthof anzuschau’n
Manch blühendes Leben ward hier zerstört
Manch Aschenurne zur Heimat kehrt—

 

Stimme 2

Jedoch blieb es für die Häftlinge undurchschaubar, ob Thurys Verhalten Teil ihrer Strategie eines doppelten Spiels war oder ob sie tatsächlich mit der SS zusammenarbeitete.

(Textausschnitt 2 Prinzessin Vukobrankovics)

Grab auf dem Zentralfriedhof
Grab auf dem Zentralfriedhof

Mit der Gründung der Austria Presseagentur begann die dritte Karriere der Elisabeth Thury. Sie wurde eine der einflussreichsten Journalistinnen, über Österreichs Grenzen hinaus bekannt. Die Nachrede „Giftmörderin“ verstummte bis zu ihrem Tod 1973 nicht.

Website Ö1 Hörbilder

http://oe1.orf.at/programm/396378
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