Schlaf. Ein Monolog

Theaterstück, als Hörstück produziert
ORF 2003

Ein Mann, im Gefängnis seiner Krankheit, seiner Halluzinationen, Visionen, seiner Gewissensqualen, schlaflos, ruhelos, betäubt, berauscht, ist die handelnde Figur des Monologs.

Seine einzige Gesellschaft sind „die Rote“ und „die Schwarze“, die ihn betreuen. Bewachen sie ihn, kontrolliert er sie?

Iterierend, palilalisch, amimisch diagnostiziert er seinen Zustand mit Psychiatrievokabular. Als der Tag anbricht, erreicht er die Grenze vom häßlichen zum unbewohnbaren Gebiet, wo die Flucht für ihn zu Ende ist.

Das Bett rot. Die Balkontür geschlossen, links davon das Fenster, geschlossen. Die Jalousie heruntergelassen. Von draußen schwaches Licht der Straßenbeleuchtung. Der ferne Lärm der Großstadt. Drinnen die Medikamententürme, die Flaschenarmee. Verteidigung gegen das Leben.

Ich habe den Schlaf nicht verdient. Ich muss mir den Schlaf kaufen. Er ist chemisch, freudlos, er erquickt mich nicht. So lange ich es ertragen kann, bleibe ich wach. Die Uhren habe ich aus meiner Nähe verbannt. Aber durch den Spalt der hölzernen Jalousie sehe ich, wie fortgeschritten die Nacht ist. Ich höre, wann das Kaffeehaus an der Ecke sperrt, und die Glocken von St. Martin. Ich kenne die Stille nach vier Uhr morgens. Ihr zögerndes Zurückweichen vor dem heranbrechenden Tag. Ich höre den ersten Bus durch die engen Gassen fahren, den Lieferwagen, der vor dem Supermarkt seine Waren ablädt, das Singen der Wasserrohre unter der Erde, in den Wänden, die Radios, die Wecker, das morgendliche Furzen, Husten, die Tierlaute des Erwachens. Im Hotel nebenan macht sich der Lift auf den Weg. Die Wäschemangel beginnt sich zu drehen, und die Müllabfuhr holt sich die Reste des Überflusses von gestern.

Die Nacht ist mein Feind, meine selbstgewählte Strafe, meine Zuflucht, mein Schrecken, meine Schuld. Schuld ohne Buße. Ich bin allein, da bin ich allein, so sehr sie mich umsorgen. Im finsteren Reich, wo nur die Alpträume lauern und die Bitterkeit, so ekelhaft, dass Schlaflosigkeit das kleinere Übel ist. Es gibt keine Hoffnung, keinen Trost. Ich habe den Schlaf verspielt.

Schlaf Handschrift