SUSANNE AYOUB: Gedichte

Erschienen im Verlag Podium 2021

In Susanne Ayoubs Lyrik entdeckt man ähnliche literarische Mittel und Themenkomplexe wie in ihren Romanen, Hörstücken, Theaterstücken und Filmen: Monolog und Dialog, Wagemut und Empfindlichkeit, Biografie und Geschichte, Erinnerung und Aktualität, Vergangenheit und Gegenwart, Verlust und Wiederentdeckung. Nur erscheinen diese Mittel und Themen dem Genre gemäß persönlicher, intensiver, bildhafter und oft rätselhafter.

(aus dem Vorwort von Geoffrey Howes)

1001 GEHEIMNIS
Ich sehne mich nach ihm den ich liebe
wenn ich ihn sehe bin ich stumm
ich senke den Blick
im Versteck der Gefühle
warte ich dass er mir folgt

(aus dem Zyklus Von der erfüllten, von der enttäuschten, von der vergangenen Liebe)

HEIMKEHR
Allein im Dunkel
Augen geschlossen
ein grauer Schein
sehe nicht
sehe doch
aus Grau die Gestalt
es ist eine Frau
sie hat den Mann verloren
sie hat den Sohn verloren
Schwestern und Brüder
Nachbarn und Freunde verloren
ich will fort
da naht er
hat keine Hände keine Beine
hat keine Füße keine Arme
keine Augen mehr
Ohren findet er nicht
so nah ist er
ich rieche
Fäulnis
kann nicht fort
der Dritte hat nur
eine Stimme ich
liege auf dem Rücken
sagt er
Hände gefaltet
auf der Brust
Hände
mit Blut besudelt
kehre ich heim
mit allen Ehren
bedeckt mit
Stoff der Heimat
der Fahne
ich will erwachen
es ist kein Traum

(aus dem Zyklus Im Krieg)

DEINE ELEMENTE
Deiner Augen Nachtsamt
Mondhaut zart
Feuerzunge
atemloser Sturm
Ruhen
im Schatten deiner Wimpern

(aus dem Zyklus Sprichst du mit mir)